Seevögel im Auge des Sturms
Die Toleranz gegenüber starken Winden und die Strategie, diese zu vermeiden, ist bei verschiedenen Seevogelarten unterschiedlich ausgeprägt
Wirbelstürme werden durch die Klimakrise immer intensiver. Deshalb haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Deutschland und der Universität Swansea im Vereinigten Königreich untersucht, welchen Windgeschwindigkeiten verschiedene Seevogelarten standhalten können. Das Team konnte zeigen, dass die einzelnen Arten gut an die durchschnittlichen Windbedingungen in ihren Brutgebieten angepasst sind, jedoch unterschiedliche Strategien anwenden, um einen Flug durch den Sturm zu vermeiden. Eine Verhaltensweise der Albatrosse überraschte die Forschenden dabei besonders.
Wie alle Tierarten müssen auch Seevögel gut an ihre ökologische Nische angepasst sein, um zu überleben. Umweltbedingungen wie Temperatur, Vegetation, Niederschlag und viele weitere Faktoren beeinflussen die natürliche Selektion: Wer am besten angepasst ist, überlebt. Die bisherige Forschung hat sich viel mit der Frage beschäftigt, wie die Tiere mit steigenden Temperaturen umgehen können. Seevögel sind jedoch auch Sturmwinden ausgesetzt, da sie in der Regel auf dem offenen Meer auf die Jagd gehen.
Die Erstautorin der Studie, Elham Nourani vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, hat sich die Frage gestellt, wie die Vögel auf Winde in Zyklonstärke reagieren und welche maximalen Windgeschwindigkeiten sie tolerieren. Mithilfe von Flugdaten 18 verschiedenen Arten hat ihr Team und sie außerdem untersucht, ob die Arten je nach Flugeigenschaften bestimmte Windgeschwindigkeiten meiden.
Schneller als der Wind: Daten geben Aufschluss über Flugeigenschaften
Das Team hat GPS-Tracking-Technologie genutzt und insgesamt mehr als 300.000 Flugstunden ausgewertet. So konnten sie zeigen, dass Vögel, die in windigeren Umgebungen leben, schneller fliegen als der Wind. „Sie müssen diese Geschwindigkeiten erreichen, um ihre Richtung selbst bestimmen zu können. Sie würden ansonsten einfach abgetrieben werden“, erklärt Mitautorin Emily Shepard. Die Forschenden haben sich in ihren Analysen unter anderem tropische Arten und Albatrosse angeschaut.
Albatrosse gehören zu den schnelleren Fliegern, da sie regelmäßig in Stürmen im südlichen Ozean fliegen. Tropische Arten dagegen erleben täglich geringere und nur sehr selten hohe Windgeschwindigkeiten und sind entsprechend angepasst. „Allerdings sind die Tropenstürme sehr viel intensiver als die im südlichen Ozean“, sagt Shepard. Das heißt, Albatrosse können unter fast allen Bedingungen fliegen, während tropische Arten besondere Strategien entwickeln müssen, um mit starken Winden fertig zu werden. Die Tropenstürme erreichen die doppelte Geschwindigkeit dessen, was die Vögel tolerieren würden. „Was für eine tropische Art ein extremer Wind ist, ist für einen Albatros alltäglich. Was Extrembedingungen sind, variiert also je nach Art", sagt Nourani.
Doch nur weil Albatrosse in vielen Winden fliegen können, heißt das nicht, dass sie das auch tun: Manchmal fliegen sie direkt in das Auge des Sturms wie ein atlantischer Gelbnasenalbatros, den sie in dieser Studie verfolgt haben. Während die Windstärke im Sturm 68 Stundenkilometer betrug, lag sie im Sturmauge lediglich bei 30, sodass der Vogel zwölf Stunden darin fliegen konnte.
Besonders unerwartet war für die Forschenden, dass die Vögel teilweise Windgeschwindigkeiten gemieden haben, bei denen sie in anderen Szenarien fliegen konnten. Sie vermuten, dass es sich dabei um eine Strategie handelt, mit der die Vögel vermeiden wollen, vom Kurs abzukommen. Die Ergebnisse der Studie können dabei helfen, besser einzuschätzen, welche Seevögel dem schnellen Wandel der Sturmintensitäten in Zukunft standhalten können.