Daten aus dem Weltraum enthüllen einen globalen Blick auf Tiere in Bewegung
Durch die Ausweitung der weltraumgestützten Beobachtung kann uns ein "Internet der Tiere" dabei helfen, Veränderungen auf unserem Planeten zu erfassen und ihnen entgegenzuwirken
Wissenschaftler haben begonnen, die globalen Bewegungen einzelner Tiere mit einer neuen Generation von Miniatur-Sendern zu verfolgen. Damit öffnet sich eine neue Dimension in den Bemühungen, den Biodiversitätswandel zu erfassen und Gebiete für Erhaltungsmaßnahmen zu lokalisieren. Das Projekt, bekannt unter dem Namen ICARUS, nutzt ein Netzwerk leichter Sensoren, die an Tieren angebracht sind und Daten an Antennen im Weltraum senden, die diese wiederum an ein einziges System zur Integration und Auswertung weiterleiten. Seit März 2021 hat die neue Technologie die Bewegungen von Hunderten von Tieren aus 15 Arten weltweit aufgezeichnet. Angesichts der niedrigen Kosten und der geringen Größe der Sender hoffen die Forscher, das Projekt auf Tausende von Tierarten ausweiten zu können und Daten über das Leben der Tiere weltweit nahezu in Echtzeit zu liefern. Die Studie zeigt, wie dieses "Internet der Tiere" - in Kombination mit anderen Umwelt- und Verhaltensdaten - Wissenschaftlern Aufschluss über Veränderungen in den Ökosystemen der Erde geben kann.
Die neuen Daten und Möglichkeiten werden diese Woche in der Zeitschrift Trends in Ecology and Evolution beschrieben. Die Bewegungen in Raum und Umwelt, die Heimatgebiete und Migrationskorridore auf Grundlage dieser neuen Daten können im Digital Museum of Animal Lives (animallives.org), einer Initiative des internationalen Max Planck-Yale Center for Biodiversity Movement and Global Change (MPYC), eingesehen werden.
"Dies ist der Beginn einer Ära, in der die Bewegungen von Tieren die Gesundheit unseres Planeten überwachen können", sagt Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Deutschland, Co-Direktor des MPYC und Initiator von ICARUS. "Die ersten Daten von ICARUS sind ein Beweis dafür, dass mit erhöhtem Aufwand ein globales Netzwerk von Tieren als Botschafter möglich ist."
Das Projekt ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space) ist eine Kollaboration internationaler Wissenschaftler unter der Leitung der Max-Planck-Gesellschaft. Es stützt sich auf Freiwillige, die an Tieren Sensoren mit einem Gewicht von weniger als fünf Gramm anbringen. Die Sensoren zeichnen nicht nur GPS-Daten auf, sondern können auch andere Informationen über die Bedingungen liefern, denen ein Tier ausgesetzt ist, wie etwa die Temperatur. Die Daten der Sensoren werden von Antennen im Weltraum erfasst und dann an Computer auf dem Boden übertragen. Die erste Antenne des Projekts, die sich an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) befindet, soll bald durch weitere Empfänger in der Umlaufbahn ergänzt werden. Die Gruppe arbeitet daran, ihre weltraumgestützten Datenerfassungsgeräte massiv auszubauen. Geplant sind u. a. ein Mikrosatellit und ein größeres 2-Satelliten-System.
Die ICARUS-Sender, die seit März 2021 Daten sammeln, haben viele Erkenntnisse über die 15 Arten geliefert, die im Rahmen des Projekts beobachtet werden. Die geringe Größe der Tags (weniger als 5 Gramm) und Solarstrombatterien haben die Beobachtung selbst kleiner Vögel über lange Zeiträume ermöglicht, wodurch unbekannte Aspekte ihrer Wanderungen aufgedeckt werden konnten. So fliegen beispielsweise Uferschnepfen nonstop von Nichtbrutplätzen in Südchile nach Mexiko oder quer durch Mittelamerika, um in Texas, USA, zu landen. Und der Kuckuck unternimmt lange Wasserüberquerungen über den Indischen Ozean von Indien nach Afrika.
Die Daten liefern jedoch mehr als nur fehlende Details über das Leben einzelner Tiere - sie geben einen Einblick in die Art und Weise, wie Daten über Tierbewegungen, wenn sie in großem Maßstab gesammelt werden, ein lebendiges Bild der Umweltveränderungen auf dem Planeten ergeben können.
"Anstatt Sensoren in der Erdumlaufbahn zu verwenden, die Bilder von der Oberfläche des Planeten für die spätere Auswertung einfangen, suchen sich die Tiere durch unzählige individuelle Bewegungsentscheidungen ihre bevorzugten Bedingungen und erfassen die Qualität und den Zustand der Ökosysteme in Echtzeit", so Wikelski.
So werden die Wissenschaftler nicht nur in der Lage sein, Gebiete zu identifizieren, die für das Überleben der Tiere wichtig sind, sondern auch Gebiete, in denen die biologische Vielfalt durch menschliche Eingriffe oder Wilderei bedroht sein könnte, wenn die vorgesehenen Wanderrouten blockiert sind.
Bei den meisten der bisher markierten Tiere handelt es sich um Vögel, die Forscher sind jedoch der Meinung, dass aufgrund der rapiden Entwicklung immer kleinerer Sender eines Tages viel mehr Reptilien, Säugetiere und sogar Insekten mit den Sensoren ausgestattet werden könnten. Nachdem die Technologie jetzt zur Verfügung steht, ist das Max Planck Yale Center dabei, Mittel zu beschaffen, die zum Kauf weiterer Sensoren (derzeit etwa 300 Dollar pro Stück) eingesetzt werden und Forschern in verschiedenen Teilen der Welt zugutekommen sollen, um das System zu nutzen und zu erweitern, Freiwillige zu schulen und Plattformen für den Informationsaustausch zu integrieren.
"Der Traum ist eine permanente Schar von etwa 100.000 Tierbotschaftern, die uns Menschen dabei helfen, Veränderungen auf diesem Planeten zu messen, zu verstehen und ihnen entgegenzuwirken", sagte Walter Jetz, Hauptautor der Studie, Co-Direktor des Zentrums und Professor für Ökologie, Evolutionsbiologie und Umwelt an der Yale University.