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Eingewanderte Orang-Utans lernen von einheimischen Artgenossen viel über Nahrungsmittel
Neu in eine Region eingewanderte, männliche Orang-Utans auf Borneo und Sumatra beobachten einheimische Artgenossen und lernen von ihnen, welche ihnen unbekannten Nahrungsmittel sie konsumieren können. Das hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Leipzig und des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig in einer Langzeitstudie mit 152 männlichen Tieren über einen Zeitraum von 30 Jahren herausgefunden. Dieses Beobachten war am häufigsten zu beobachten, wenn Einheimische seltene oder schwer zu verarbeitende Nahrungsmittel zu sich nahmen. Ihre neuen Erkenntnisse haben die Forschenden gerade im Fachjournal „Frontiers in Ecology and Evolution" veröffentlicht.
Orang-Utans sind länger als jedes andere nichtmenschliche Tier von ihren Müttern abhängig. Sie werden mindestens bis zum sechsten Lebensjahr gesäugt und leben noch bis zu drei Jahre länger mit ihnen zusammen, um zu lernen, wie sie die äußerst vielfältige Palette an Nahrungsmitteln finden, auswählen und verarbeiten können, die sie verzehren. Aber wie entscheiden sich Orang-Utans, die ihre Mütter verlassen haben und nun weit von ihren Gebieten entfernt leben, in denen die verfügbaren Nahrungsmittel möglicherweise sehr unterschiedlich sind, was sie essen sollen und wie sie es essen sollen? Ein internationales Team von Autoren hat nun gezeigt, dass migrierende Orang-Utan-Männchen in solchen Fällen der Regel folgen: "beobachten und tun, was die Einheimischen tun".
"Hier zeigen wir Hinweise dafür, dass wandernde Orang-Utan-Männchen soziales Lernen durch Beobachtung verwenden, um nach der Einwanderung in ein neues Gebiet neues ökologisches Wissen von einheimischen Artgenossen zu lernen", sagt Julia Mörchen, eine Doktorandin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und an der Universität Leipzig, und Hauptautorin der Studie. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass wandernde Männchen nicht nur von Einheimischen lernen, welche Nahrung essbar ist und wo sie diese Nahrung finden, sondern auch weiterhin lernen, wie sie diese neuen Nahrungsmittel verarbeiten können."
Mörchen und ihre Kolleg:innen zeigten, dass wandernde Männchen diese Informationen durch ein Verhalten namens "Peering" erlernen: Sie beobachten mindestens fünf Sekunden lang und aus einer Entfernung von zwei Metern ein Vorbild intensiv. Typischerweise richteten beobachtende Orang-Utans ihr Gesicht dem Vorbild zu und zeigten durch Kopfbewegungen Anzeichen von aufmerksamem Interesse, um dessen Handlungen genau zu sehen.
Männliche Orang-Utans wandern in ein anderes Gebiet, nachdem sie geschlechtsreif geworden sind, während Weibchen dazu neigen, sich in der Nähe ihres Geburtsgebiets niederzulassen. "Was wir noch nicht wissen, ist, wie weit und wohin männliche Orang-Utans wandern. Aber wir können fundierte Vermutungen anstellen: Genetische Daten und Beobachtungen von Orang-Utans, die physische Barrieren wie Flüsse und Berge überqueren, deuten auf eine Wanderung über weite Strecken hin, wahrscheinlich über Dutzende von Kilometern", erklärt Mörchen. "Dies bedeutet, dass Männchen während der Migration wahrscheinlich auf verschiedene Lebensräume treffen und somit eine Vielzahl von faunistischen Zusammensetzungen erleben, insbesondere beim Durchqueren von Lebensräumen mit unterschiedlichen Höhenlagen“, so die Forscherin weiter. Im Laufe der Evolution habe die Fähigkeit, sich schnell an neue Umgebungen anzupassen, indem man auf entscheidende Informationen von Einheimischen achtet, den Individuen wahrscheinlich einen Überlebensvorteil verschafft. Diese Fähigkeit sei daher wahrscheinlich in unserer Hominiden Abstammungslinie ein ursprüngliches Merkmal und reiche mindestens 12 bis 14 Millionen Jahre zurück, bis zum letzten gemeinsamen Vorfahren, den wir mit Orang-Utans teilen.
Das „Peering“ der Männchen wurde insgesamt 534-mal beobachtet und trat somit in 207 (5,2 Prozent) dieser Begegnungen auf. In Suaq Balimbing (Sumatra) beobachteten die Männchen am häufigsten die lokalen Weibchen und dann lokale Jungtiere, am seltensten aber erwachsene Männchen. In der weniger sozialen Population von Tuanan war es genau umgekehrt: Die Männchen beobachteten am häufigsten andere erwachsene Männchen, gefolgt von jungen Orang-Utans und am seltensten erwachsene Weibchen. Die Männchen in Tuanan (Borneo) haben möglicherweise keine Gelegenheit, lokale Weibchen zu beobachten, da bekannt ist, dass diese Weibchen in dieser Population längere Begegnungen mit ihnen vermeiden und weniger tolerant sind. Die wandernden Männchen interagierten anschließend nach dem „Peering“ häufiger mit den beobachteten Nahrungsmitteln und üben somit, was sie durch das Beobachten gelernt hatten.
"Unsere detaillierten Analysen zeigten auch, dass die wandernden Orang-Utan-Männchen in unserer Studie am häufigsten Nahrungsmittel beobachteten, die schwer zu verarbeiten sind oder die von den Einheimischen nur selten gegessen werden: einschließlich Nahrungsmittel, die während der gesamten Studiendauer nur für ein paar Minuten aufgezeichnet wurden", sagte Dr. Anja Widdig, Professorin an der Universität Leipzig und Co-Hauptautorin der Studie.
"Interessanterweise nahmen die Beobachtungsraten der wandernden Männchen nach einigen Monaten im neuen Gebiet ab, was darauf hindeutet, dass sie ca. so lange brauchen, um neue Nahrungsmittel im neuen Gebiet zu erlernen", fügte Dr. Caroline Schuppli, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz und Co-Hauptautorin, hinzu.
Die Autor:innen warnten jedoch, dass immer noch unbekannt ist, wie oft erwachsene Orang-Utans ein bestimmtes Verhalten beobachten müssen, um es zu beherrschen. Beobachtungen deuteten darauf hin, dass Erwachsene je nach Komplexität oder Neuheit der erlernten Fähigkeit möglicherweise immer noch explorative Verhaltensweisen bei bestimmten Nahrungsmitteln verwenden, die sie zuerst durch das „Peering“ kennengelernt haben - möglicherweise um weitere Details herauszufinden, die neuen Informationen zu festigen oder diese mit früherem Wissen zu vergleichen.