Aufbau eines Internets zur Unterstützung von Tieren
Das Internet der Tiere verknüpft Online-Datenbanken mit künstlicher Intelligenz und ist ein neue Option das Leben auf unserem Planeten zu verstehen und zu schützen
In den zwei Jahrzehnten seit seiner Verbreitung hat das Internet die menschliche Gesellschaft verändert - von der Art und Weise, wie wir arbeiten, wo wir einkaufen, bis hin zu den Ideologien, nach denen wir leben. Nun steht das Internet kurz davor, auch die Welt der Tiere zu revolutionieren, wie zwei Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie (MPI-AB) und der North Carolina State University in einer Studie herausgefunden haben.
Der Artikel beschreibt, wie das Zusammenspiel von technischen Entwicklungen und künstlicher Intelligenz, das die Autoren als "Internet der Tiere" bezeichnen, uns die Möglichkeit gibt, Vorhersagen über die natürliche Welt zu treffen. Diese Vorhersagekraft, so die Autoren, bietet die Möglichkeit, moderne Geißeln wie den Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt und Krankheiten einzudämmen. Indem wir das Verhalten von Tieren vorhersagen, können wir mit Managementlösungen eingreifen, um ihnen - und letztlich auch uns selbst - zu helfen.
"Stellen Sie sich vor, das gesamte Wissen über Tiere wird online gesammelt, verknüpft und analysiert, um in Echtzeit Ergebnisse und Vorhersagen zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit zu liefern", sagt Martin Wikelski, Direktor der Abteilung Migration am MPI-AB und Hauptautor des Berichts.
"Das ist das Internet der Tiere, und es nimmt bereits Gestalt an. Wir glauben, dass das Konzept bei weiterer Entwicklung sein zukünftiges Potenzial entfaltenund die Koexistenz von Menschen und Tieren fördern kann."
Um dieses Potenzial zu verwirklichen, müssen jedoch einige Herausforderungen bewältigt werden. In dem Review beschreiben Wikelski und der Erstautor Roland Kays von der NC State University das Internet der Tiere in seiner jetzigen Form und skizzieren eine Vision für seine Zukunft.
Was es ist, was es sein könnte
Der Bereich der Tierökologie ist in das Zeitalter von Big Data und dem Internet der Dinge eingetreten. Dank Technologien wie Satelliten, Drohnen, automatischen Kameras und Sensoren, die an Tieren oder in ihrer Umgebung angebracht werden, werden beispiellose Datenmengen über Wildtierpopulationen gesammelt.
Hinzu kommen riesige Mengen an Informationen über Tiere aus Museumssammlungen, Beobachtungen von Bürgerinnen und Bürgern, die über Websites wie iNaturalist gesammelt werden, Aufzeichnungen über Krankheiten, tierärztliche Aufzeichnungen, Naturschutzlisten und vieles mehr.
Diese Daten fließen in Datenbanken ein, wo sie online verfügbar sind und zunehmend miteinander verknüpft werden. Heute können sie von einer wachsenden Zahl an KI-Programmen analysiert werden, die den Zahlen einen Sinn geben. Viele dieser KI-basierten Tools, wie die Apps iNaturalist und PictureThis zur Identifizierung von Pflanzen und Tieren, sind weit verbreitet.
Das Zusammentreffen dieser Faktoren hat zum Entstehen des Internet der Tiere (IoA) geführt: "All diese verschiedenen Datenbanken sind miteinander verbunden und verfügen über ein Analyseprogramm, mit dem sie zu verwertbaren Informationen kombiniert werden können", sagt Roland Kays, Professor an der NC State University und Leiter des Biodiversitätsforschungslabors am North Carolina Museum für Naturwissenschaften.
Für die Autoren sind Projekte mit Naturschutzmaßnahmen in Echtzeit die besten Beispiele dafür, wie die IoA derzeit Tieren hilft. Ein Beispiel ist BirdCast, das täglich mehrere Datenquellen nutzt, um vorherzusagen, wann Vögel über den Himmel ziehen. "Die Städte fangen an, die Lichter auszuschalten, um die Vögel in dieser Zeit des Jahres zu schützen", sagt Kays.
Oder das Beispiel von Whale Safe, das Live-Daten aus der akustischen Überwachung und der menschlichen Beobachtung von Walen an der kalifornischen Küste kombiniert, um Empfehlungen zu geben, wann Schiffe ihre Geschwindigkeit verringern sollten, um Kollisionen zu vermeiden.
Diese Beispiele, so die Autoren, sind nur der Anfang dessen, was möglich ist.
Eine vollwertige IoA könnte uns in die Lage versetzen, die Zukunft von Tieren in einem sich verändernden Klima vorherzusagen - wo ihre neuen Lebensräume sein werden und ob sie Hilfe brauchen, um dorthin zu gelangen. Sie könnte die Ausbreitung von Tierkrankheiten in Echtzeit kartieren und neue Wirte von Zoonosn aufdecken. Sie könnte eingesetzt werden, um die Auswirkungen von Haustieren auf wild lebende Tiere zu verringern - intelligente Halsbänder für Katzen, die Jagdverhalten erkennen und Maßnahmen zur Verhinderung dieses Verhaltens auslösen.
Millionen von kommerziellen Produkten sammeln bereits Sensordaten über die Umwelt. Die künftige IoA könnte diese Produkte nutzen, um gleichzeitig die Natur zu überwachen - zum Beispiel könnten Millionen intelligenter Autos auf den Straßen der Welt fahren und dabei im Rahmen eines standardisierten Protokolls, das mit der IoA verbunden ist, Insekten zählen.
"Heutzutage werden so viele Informationen über Tiere gesammelt - absichtlich oder zufällig", sagt Kays. "Wir brauchen ein effizientes, KI-gestütztes Internet der Tiere, das uns dabei hilft, diese Informationen sinnvoll zu nutzen und sie für den Naturschutz einzusetzen."
Das IoA von heute bietet einen Blick in diese Zukunft. Wikelski und Kays schließen ihren Bericht mit einer Aufzählung der Schritte, die auf dem Weg dorthin unternommen werden müssen. Dazu gehört die Überwindung von Hürden wie die Integration verschiedener Datentypen, die Verknüpfung von Daten, wenn sich die Taxonomie ständig ändert, und die Anerkennung derjenigen, die Daten sammeln und weitergeben.
Das Ergebnis könnte eine Möglichkeit sein, das Leben auf unserem Planeten vorherzusagen.
Wikelski: "Früher lagen die Kenntnisse, die wir über Tiere hatten, so weit auseinander, dass wir ökologische Phänomene nicht vorhersagen konnten. Man könnte es mit dem Märchen eines Bauern vergleichen, dass tief fliegende Schwalben einen Wetterwechsel bedeuten.“
"Jetzt haben wir Daten über Vogelbewegungen, die mit Fernerkundung, Wolkenentwicklung und Insektenvorkommen verknüpft sind und mit hochentwickelten Instrumenten analysiert werden. Diese Echtzeit-Verknüpfung unterschiedlicher Informationen ermöglicht es uns, Ursache und Wirkung zu erkennen und letztlich Vorhersagen über Naturphänomene zu treffen, die wir vorher nicht verstanden haben."