Das Geheimnis der Langlebigkeit von Papageien

Größere Gehirne haben dazu geführt, dass einige Papageienarten überraschend lange Leben, wie neue Forschungsergebnisse zeigen

29. März 2022

Papageien sind berühmt für ihre bemerkenswerten kognitiven Fähigkeiten und ihre außergewöhnlich lange Lebensspanne. Nun hat eine von Max-Planck-Forschern geleitete Studie gezeigt, dass eines dieser Merkmale wahrscheinlich durch das andere bedingt ist. Bei der Untersuchung von 217 Papageienarten stellten die Forscher fest, dass Arten wie der Hellrote Ara und der Gelbhaubenkakadu extrem lange durchschnittliche Lebenserwartungen von bis zu 30, bzw 25, Jahren haben, die normalerweise nur bei sehr großen Vögeln zu beobachten sind. Außerdem wiesen sie eine mögliche Ursache für diese lange Lebensspanne nach: eine große relative Gehirngröße. Die Studie ist die erste, die einen Zusammenhang zwischen der Größe des Gehirns und der Lebenserwartung von Papageien aufzeigt, was darauf hindeutet, dass erhöhte kognitive Fähigkeiten Papageien geholfen haben könnten, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden und ein längeres Leben zu leben.

Papageien sind bekannt für ihre lange Lebensspanne und ihre komplexen kognitiven Fähigkeiten. Ihre Lebenserwartung und relative Gehirngröße sind mit der von Primaten vergleichbar. Dennoch war bisher nicht bekannt, ob sich die beiden Merkmale in ihrer Evolution gegenseitig beeinflusst haben.

"Das Problem bestand darin, Daten von guter Qualität zu beschaffen", sagt Simeon Smeele, Doktorand am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (MPI-AB) und Hauptautor der Studie, die in Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht wurde. Zu verstehen, was die Langlebigkeit der Papageien angetrieben hat, ist nur möglich, indem man heute lebende Papageienarten vergleicht.

"Vergleichende lebensgeschichtliche Studien erfordern große Stichproben, um Gewissheit zu erlangen, da viele Prozesse gleichzeitig ablaufen, was zu großer Varianz in den Daten führt", sagt Smeele.

Um eine angemessene Stichprobengröße zu erreichen, haben sich Wissenschaftler des MPI-AB und das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EvA) mit der gemeinnützigen Organisation Species360 zusammengetan, die die weltweit größte Datenbank für Wildtierdaten aus Zoos und Aquarien verwaltet. Gemeinsam stellten sie die Daten von über 130.000 einzelnen Papageien aus über 1000 Zoos zusammen. Dieser Datensatz ermöglichte es dem Team, die ersten zuverlässigen Schätzungen der durchschnittlichen Lebensdauer von 217 Papageienarten zu erstellen, was mehr als die Hälfte aller bekannten Arten darstellt.

Die Analyse ergab eine erstaunliche Vielfalt in der Lebenserwartung, die von durchschnittlich zwei Jahren für den Buntbrust-Zwergpapagei bis zu durchschnittlich 30 Jahren für den Hellroten Ara reicht. Zu den anderen langlebigen Arten gehört unter anderem der Gelbhaubenkakadu aus Australien, der im Durchschnitt 25 Jahre alt wird.

"Ein durchschnittliches Alter von 30 Jahren ist bei Vögeln dieser Größe extrem selten", sagt Smeele, der bei der Studie eng mit Lucy Aplin vom MPI-AB und Mary Brooke McElreath vom MPI-EvA zusammenarbeitete. "Einige Individuen haben eine maximale Lebensdauer von über 80 Jahren, was selbst für Menschen ein respektables Alter ist. Diese Werte sind spektakulär, wenn man bedenkt, dass ein durchschnittlicher Mann beim Menschen etwa 100-mal mehr wiegt."

Anschließend untersuchte das Team in einer groß angelegten Vergleichsstudie, ob die kognitiven Fähigkeiten der Papageien einen Einfluss auf ihre Langlebigkeit hatten oder nicht. Sie untersuchten zwei Hypothesen: Erstens, dass relativ große Gehirne eine längere Lebensdauer ermöglichen. Mit anderen Worten, klügere Vögel können in freier Wildbahn Probleme besser lösen und leben daher länger. Zweitens, dass relativ große Gehirne länger zum Wachsen brauchen und daher eine längere Lebensdauer erfordern. Für jede Art wurden Daten zur relativen Gehirngröße sowie zum durchschnittlichen Körpergewicht und zur Entwicklungsbiologie erhoben.

Anschließend kombinierten sie die Daten und entwickelten verschiedene Modelle für jede Hypothese, um zu prüfen, welches Modell die Daten am besten erklärte. Ihre Ergebnisse liefern den ersten Beleg dafür, dass eine größere Gehirngröße bei Papageien eine längere Lebensdauer ermöglicht hat. Da die Gehirngröße im Verhältnis zur Körpergröße ein Indikator für die Intelligenz sein kann, legen die Ergebnisse nahe, dass die Papageien mit relativ großen Gehirnen über kognitive Fähigkeiten verfügten, die es ihnen ermöglichten, in freier Wildbahn besser Probleme zu lösen. Diese Probleme hätten andernfalls möglicherweise zum frühzeitigen Tod geführt, sodass ihre Intelligenz ihnen ein längeres Leben ermöglichte.

"Dies unterstützt die Idee, dass größere Gehirne Arten im Allgemeinen flexibler machen und ihnen ein längeres Leben ermöglichen", sagt Smeele. "Wenn ihnen zum Beispiel ihr Lieblingsfutter ausgeht, können sie lernen, etwas Neues zu finden und so zu überleben."

Die Wissenschaftler waren überrascht, dass andere Faktoren wie z.B. die Ernährung oder die längere Entwicklungszeit, die für die Entwicklung größerer Gehirne erforderlich ist, nicht zu einer längeren durchschnittlichen Lebenserwartung geführt haben. "Wir hätten erwartet, dass die Entwicklungsbiologie eine wichtigere Rolle spielen würde, denn bei Primaten sind es energetische Kosten für die lange Entwicklungsdauer, die den Zusammenhang zwischen Gehirngröße und Langlebigkeit erklären", sagt Smeele.

In Zukunft will das Team untersuchen, ob Sozialität und kulturelles Lernen bei Papageien ebenfalls zu einer langen Lebensdauer beigetragen haben könnten.  Smeele sagt: "Vögel mit großen Gehirnen verbringen möglicherweise mehr Zeit mit dem sozialen Lernen von Futtersuchtechniken, die seit mehreren Generationen bekannt sind. Diese längere Lernzeit könnte möglicherweise auch die längere Lebensspanne erklären, da sie zwar mehr Zeit in Anspruch nimmt, aber auch das Repertoire der Futtersuche anpassungsfähiger macht".

„Eine Sache, die uns Menschen besonders macht, ist die Fülle an sozial erlernten Fähigkeiten.

Wir sind sehr gespannt darauf, ob langlebige Papageien auch eine 'Kindheit' haben, in der sie alles lernen müssen, vom Finden und Öffnen von Nüssen bis hin zum Vermeiden von aggressivem Verhalten dominanter Männchen. Letztendlich möchten wir verstehen, welche evolutionären Triebkräfte Spezies mit Lebensgeschichten hervorgebracht haben, die denen unserer Vorfahren sehr ähnlich sind."

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