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Kannibalische Weibchen So bestehen Spinnen-Männchen den Drahtseilakt zwischen Leben und Tod

Die Weibchen der Goldenen Seidenspinne (Trichonephila clavipes) sind mit bis zu vier Zentimetern Körperlänge um ein Vielfaches größer als die Männchen derselben Spezies
Die Weibchen der Goldenen Seidenspinne (Trichonephila clavipes) sind mit bis zu vier Zentimetern Körperlänge um ein Vielfaches größer als die Männchen derselben Spezies
© Angela / Adobe Stock
Raffinierte Choreografie: Forschende entschlüsseln, wie sich die Männchen von Goldenen Seidenspinnen in den Netzen ihrer Angebeteten bewegen – ohne von ihnen gefressen zu werden

Bei manchen Spinnenarten ist das Liebesspiel ein tödliches Vergnügen. Zumindest für die männlichen Tiere. Bei der Goldenen Seidenspinne etwa ist das Weibchen mit bis zu vier Zentimetern Körperlänge deutlich größer als ihr männlicher Gegenpart. Und nicht nur das: Nähert sich ein Bewerber unvorsichtig – wird er kurzerhand verspeist wie andere Beute auch.

Da sich am Rand des Netzes oft mehrere Bewerber um die Gunst des Weibchens einfinden, kreisen die Männchen oft planetenartig um das "Zentralgestirn", das Weibchen in der Mitte des Netzes. Und das, ohne sich dabei in die Quere zu kommen.

Lange rätselten Verhaltensforscher, wie die Achtbeiner mit ihren winzigen Gehirnen es schaffen, einen so grazilen Tanz im Netz aufzuführen.

Für ihre Studie, die nun im Fachmagazin PNAS erschien, stellten die Forschenden des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und ein Team des Weizmann-Instituts in Israel eine unkonventionelle Arbeitshypothese auf: "Wir starteten unsere Forschung mit der Vermutung, dass sich die Spinnen im Netz wie Elektronen oder Planeten verhalten, die einen Atomkern, beziehungsweise einen Stern im All umkreisen", erklärt Alex Jordan vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie.

Jede falsche Bewegung kann das Ende bedeuten

Natürlich stellten die Wissenschaftler Abweichungen von solchen rein physikalischen Modellen fest. Als nützliche Analogie erwies sich die Grundannahme dennoch. Nähern sich die Männchen – beziehungsweise die Elektronen oder Planeten – zu schnell oder in einem falschen Winkel dem Gravitationszentrum (dem Weibchen), wird die "Anziehungskraft" schnell unüberwindlich, und es ist um sie geschehen.

"In den Regenwäldern Panamas habe ich oft beobachtet, wie übereifrige Männchen den kannibalischen Weibchen zum Opfer fielen, vor allem, wenn sie den falschen Weg einschlugen oder sich dem Weibchen zu schnell näherten", sagt Sylvia Garza, eine der Autorinnen der Studie.

Auch die Wechselwirkungen zwischen den Männchen am Rand des Netzes lässt sich zum Teil physikalisch beschreiben. "Die Bewegung der Spinnen-Männchen ähnelt den Wechselwirkungen zwischen Teilchen, die sich je nach Abstand gegenseitig anziehen oder abstoßen", sagt der Physiker und Hauptautor der Studie, Amir Haluts vom Weizmann-Institut.

Fein austarierter Tanz ohne großes Gehirn

Die scheinbar komplexen Entscheidungsprozesse der Männchen erfordern damit keine unerklärliche Intelligenz. Stattdessen, so die Forschenden, nehmen die Tiere ihre Mitbewerber anhand von Vibrationen im Netz wahr und reagieren dann mit Annäherung oder Flucht.

"Mit unseren Computermodellen", so Nir Gov vom Weizmann-Institut, "können wir die physikalischen Kräfte, denen die Männchen ausgesetzt sind, abbilden und ihre Bewegung im Netz sowie den Wettbewerb zwischen Männchen unterschiedlicher Größe erklären."

Goldene Seidenspinnen sind schon länger Gegenstand der Forschung – allerdings wegen ihrer besonders reißfesten Spinnenseide. In ihren Netzen können sich sogar kleine Vögel verfangen, auch wenn die nicht zum Beutespektrum der Spinne gehören. Geforscht wird unter anderem an Anwendungen in Seilen, Sicherheitsgurten, Schutzkleidung oder für medizinische Zwecke.

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